Kirchenführer

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Geschichte der Pfarre Obertrum mit der Pfarrkirche und der Gut-Hirten-Kapelle.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags St. Peter.

OBERTRUM am See
Pfarrkirche zum hl. Jakobus d. Ä. in Obertrum am See

Erzdiözese Salzburg • Land Salzburg, Flachgau


GESCHICHTE

Pfarrkirche Obertrum am See, Aussenansicht

Pfarrkirche Obertrum am See, Aussenansicht

Inmitten des seit ältesten Tagen besiedelten Salzburger Flachgaues liegt in romantischer Lage am Südufer des Trumersees der Kirchort Obertrum. Die im Kern noch spätmittelalterliche Kirche auf dem Kirchhügel umgibt nach alter Sitte der ummauerte Friedhof.
Der Ortsname – frühere Bezeichnungen waren Owadrum, Drum oder Trum – setzt sich aus mittelhochdeutsch owe (flußabwärts) und drum (Ende) zusammen. Kirchlich gehörte das Mattseer Gebiet seit der Neuordnung nach dem Magyarensturrn (955) zur Diözese Passau bzw. unmittelbar zum Kollegiatstift und Archidiakonat Mattsee. Die erste urkundliche Erwähnung der Pfarre stammt bereits aus dem 12. Jahrhundert: Am 6. Februar 1143 schenkte Bischof Reginbert von Passau den Personalzins von einigen Pfarren, darunter Druma, der Mattseer Kirche. Im Jahr 1328 verlieh Bischof Albert von Passau die Pfarrkirche selbst dem Stift, zehn Jahre später bestätigte er die vom Kapitel zu Mattsee beschlossene Vereinigung der Pfarre mit der Dignität des Mattseer Dechanten.
Im Zusammenhang mit dem Turmbau von 1499 ist im Mattseer Stiftsarchiv der entsprechende Spaltzettel (Bauvertrag über die Errichtung des Turmes), als einziger seiner Art im Flachgau, erhalten geblieben und bietet den willkommenen Anlaß zur 500-Jahr-Jubiläumsfeier im Jahr 1999: nicht nur wegen des Kirchturmes, sondern auch hinsichtlich der in der Urkunde namentlich aufgeführten „sechzehn von wegen gantzer Pfarr(ge)meining des Gotzhaus zu sand Jacob“ – aus heutiger Sicht also des urkundlich erstgenannten „Pfarrkirchenrates“.
An der Wende zum 18. Jahrhundert residierte in Obertrum der gelehrte Mattseer Kanonikus Dr. theol. Johann Baptist Ölperl, der von 1713 bis 1721 Dechant des Mattseer Stiftes war. Er ließ sich den alten Pfarrhof neu ausstatten und errichtete daneben eine hölzerne Einsiedelei samt Kapelle. Auch die zweite Barockisierung der Pfarrkirche geht auf ihn zurück. Seit 1338 war Obertrum also eine Mattsee inkorporierte Stiftspfarre, wobei sich der Dechant von Mattsee meist durch Pfarrvikare vertreten ließ. Diese Zugehörigkeit endete 1893 mit der Erhebung zur eigenständigen Pfarre. 1980 erfolgte die endgültige Excorporation aus dem Stift Mattsee.

BAUGESCHICHTE

Die erste Kirche von 1143
Die Kirche der Ersterwähnung von 1143 dürfte ein romanischer Bau (flachgedeckter Saal mit halbrunder Apsis) gewesen sein, dessen Reste man bei einer künftigen archäologischen Bodenuntersuchung unter der heutigen Kirche entdecken müßte.

Pfarrkirche Obertrum, Spaltzettel Kirchturm 1499

Pfarrkirche Obertrum, Spaltzettel Kirchturm 1499

Der spätgotische Neubau
Der Neubau einer spätgotischen Saalkirche von 1451, auf den eine durch Kardinal Cusanus, Bischof von Brixen, ausgestellte Ablaßverleihung hinweist, steckt noch im Kern des heutigen Kirchenlanghauses. Der stilistisch nächstverwandte Kirchenbau (vgl. die 3/4-Runddienste der Wandvorlagen) in Salzburg-Mülln ist ein Werk von Peter Harperger, doch kommt als Baumeister der Obertrumer Kirche eher STEPHAN KRUMENAUER (Salzburg/Braunau), der Vollender des Chores der Salzburger Franziskanerkirche, in Frage.

Die spätgotische Kirche wurde durch den Neubau eines (höheren?) Westturmes im Jahr 1499 vollendet, nachweislich durch den u. a. auch an der Braunauer Stadtpfarrkirche tätigen Baumeister WOLFGANG WIESINGER.

Bild 1: Spaltzettel (Bauvertrag über die Errichtung des Turmes 1499) im Mattseer Stiftsarchiv

Die Barockisierungsphasen
Eine erste Barockisierung erfuhr die Kirche um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Eine zweite folgte dann 1714-1716 auf Initiative des Mattseer Dechanten J. B. Ölperl, der für die Neugestaltung des Kirchenraumes den Salzburger Stuckateur Josef Schmid berief. Vorbild war die vom gleichen Künstler um 1700 durchgeführte Erneuerung der Mattseer Stiftskirche. Außerdem wurde damals das südliche Seitenschiff samt darüberliegender Empore angefügt (Sebastian Stumpfegger?).
1779 erweiterte man die Kirche schließlich noch um ein nördliches Seitenschiff (Wolfgang Hagenauer), sodaß eine dreischiffige basilikale Anlage entstand. Wenn auch nach einem Brand am20. November 1800 viele barocke Kunstwerke ersetzt wurden, behielt die barockisierte spätgotische Kirche doch im wesentlichen ihr Aussehen – bis zum 21. Mai 1917.

Wiederaufbau nach dem Brand vom 21. Mai 1917
Um 3 Uhr früh brach an diesem Tag im Armenhaus in unmittelbarer Nähe der Kirchenostseite ein Feuer aus, das sich infolge des starken Windes rasch ausdehnte und bald auch auf die Kirche übergriff, die, wie auch weitere Gebäude des Ortes, stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. In einer Schilderung des damaligen Ortspfarrers Johann Schöndorfer heißt es u. a.: „Die Altäre, die Stühle, die Orgel, der Turm, alles wurde ein Raub der Flammen.“

Noch im gleichen Jahr wurde der Salzburger Diözesanarchitekt und Otto-Wagner-Schüler KARL PIRICH mit der Planung des Wiederaufbaues beauftragt. Unter Beibehaltung der Ruinen des gotisch-barocken Baues ließ er anstelle des alten gotischen Chorschlusses ein neues, leicht eingezogenes Presbyterium (wieder im 3/8-Schluß) mit seitlichen Sakristeien anfügen und verlängerte die bei den Seitenschiffe um Altarräume. Auf die Wiederherstellung des gotischen Gewölbes wurde verzichtet; vielmehr wählte der Historist Pirich, der sich beim Wiederaufbau des Dorfplatzes eng an den Heimatstil anlehnte (vgl. Braugasthof Sigl), als Stilvorlage den Neobarock, wenn auch nicht im Sinne einer Kopie. So erhöhte er das Mittelschiff, das er nun mit einem flachen Plafond eindeckte, und versah die Mittelschiffshochwand mit einer neobarocken Dekoration (Baumeister Jacob Ceconi). Als die Kirche am 10. April 1922 wieder eingeweiht werden konnte, dachte man zunächst noch daran, die Innenraumgestaltung im historistischen Stil der Pirich-Planung zu vollenden. Stift Nonnberg schenkte einen neogotischen Marienaltar. Im gleichen Jahr konnte die barocke Kanzel aus Berndorf erworben werden. Bald darauf kam es jedoch zum Bruch mit dem Architekten Pirich.

Bild 2: Obertrum gegen Norden, Aquarell eines unbekanntens Malers aus der Mitte des 19. Jahrhunderts im Salzburger Museum Carolino Augusteum

Obertrum gegen Norden, Mitte 19. Jhd,

Obertrum gegen Norden, Mitte 19. Jhd,

 

Die expressionistische Ausstattung durch Jakob Adlhart
Seit 1925 gab es den expressionistischen Schmerzenschristus im Kolleg St. Benedikt in Salzburg zu bestaunen, ein Werk des Halleiner Bildhauers und Hanak-Schülers JAKOB ADLHART – an ihn wandte sich Pfarrer Schöndorfer unter Einbeziehung des Konsistoriums. Zunächst ging es um die Anschaffung der Langhausfiguren (1924/25), die ohne behördliche Schwierigkeit erfolgte – im Gegenteil, die (vorerst acht) Plastiken wurden von der Presse enthusiastisch gefeiert (Salzburger Chronik vom 25. Oktober 1925).

Pfarrkirche Obertrum, Hl. Florian

Pfarrkirche Obertrum, Hl. Florian

Bild 3: Langhaus, Figur des hl. Florian von Jakob Adlhart und seiner Werkstatt

Die Gestaltung des Deckenplafonds durch den damals nicht unumstrittenen Halleiner Künstler konnte Pfarrer Schöndorfer dann jedoch nur dank seines beharrlichen Eintretens, aber auch im Einverständnis mit dem Landesdenkmalamt (Arch. Hutter, Dr. Franz Martin) schließlich durchsetzen. Erst im Jahr 1929 wurde die Decke genehmigt. So gesehen stellt die Obertrumer Kirche in ihrem Innenraum ein erstes beeindruckendes Beispiel der Begegnung der Kirchenkunst mit dem Expressionismus dar. Im Jahr 1935 kam die Gestaltung der Doppelempore und des Orgelgehäuses (Haupt-und Fernwerk von Dreher und Flamm) dazu, wobei der österreichische Doppeladler, wie er unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß geprägt wurde, Verwendung fand. Die Orgel selbst war dem Andenken der österreichischen Bundeskanzler Seipel und Dollfuß gewidmet.
Nach dem Krieg schuf Jakob Adlhart in den Jahren 1956-1957 unter „Zitation“ des neogotischen Nonnberger Marienaltares als Hochaltar ein freies Figurenensemble.

Pfarrkirche Obertrum Innenraum

Pfarrkirche Obertrum Innenraum

Bild 4: Pfarrkirche, Innenraum

FÜHRUNG DURCH DIE KIRCHE

Die Deckengestaltung im Langhaus
Im Jahr 1928 erhielt Jakob Adlhart den Auftrag zur Gestaltung des Deckenplafonds im Langhausmittelschiff. In figuraler Holzschnitzerei schuf der Künstler in den drei großen Mittelfeldern Szenen aus der Heilsgeschichte: Das, vom Altarraum aus gesehen, erste Relieffeld zeigt die Schöpfung, also die Erschaffung des Menschen durch Gottvater. Im zweiten Feld folgt die Geburt Christi, im Hinblick auf die kommende Erlösung der Menschen durch den Opfertod des Heilands. Die dritte Szene schließlich ist dem Pfingstwunder gewidmet, also der Heiligung der Menschen durch die Ausgießung des Hl. Geistes. Wir können diese Szenen auch als Darstellung des christlichen Menschenbildes interpretieren: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis“.
Die benachbarten kleineren Felder enthalten Symbole, die zu den drei Hauptthemen gehören, wie Sonne, Mond und Sterne zum ersten, Engel, Löwe, Adler und Stier (Evangelisten) zum zweiten und Säule, Waage, Spiegel und Gefäß als Zeichen der vier Kardinaltugenden zum drittten Deckenfeld.

Pfarrkirche Obertrum Deckenrelief

Pfarrkirche Obertrum Deckenrelief

Bild 5: Deckenrelief „Geburt Christi“ von J. Adlhart

Pfarrkirche Obertrum, Hl. Barbara

Pfarrkirche Obertrum, Hl. Barbara

Die großen Heiligenfiguren
Noch im sog. Inflationsstil der 20er Jahre schufen Jakob Adlhart und seine Werkstatt, unter Beteiligung von ARTUR RAUCH, die überlebensgroßen Heiligenfiguren, die auf den gotischen Wandvorlagen im Langhaus aufgestellt sind. Sie wurden teilweise von den örtlichen Ständen gestiftet, die sie als Patrone erwählt haben. Die Figuren im einzelnen, beginnend vorne beim Chorbogen, jeweils paarweise links und rechts: Florian (Patron der Feuerwehr, siehe Bild 3 oben) und Pankratius (mit Eisstock, als Patron des Eisschützenvereins), Anna selbdritt (gegenüber Erzengel Michael auf dem Schalldeckel der Kanzel), Isidor und Notburga (die beiden „Bauernheiligen“), Barbara (Bild 6) und Leonhard, Elisabeth und Aloysius von Gonzaga.

Bild 6: Langhaus, Figur der hl. Barbara von Jakob Adlhart und seiner Werkstatt

Der Hochaltar als Figurenensemble
Unter Einbeziehung von Teilen eines neugotischen Marienaltars aus Salzburg-Nonnberg schuf Jakob Adlhart 1956/57 das kolossale Figurenensemble des Obertrumer Hochaltares. Den eigentlichen Altaraufbau bilden der Tabernakel und die seitlich anschließenden vier neugotischen Relieftafeln (19. Jh) mit Szenen aus dem Marienleben.
Im Zentrum schwebt, von einem Strahlenkranz umgeben, die Statue Mariens dem dreifaltigen Gott entgegen. Zentrales Thema ist also nicht – wie ursprünglich – die Darstellung des Kirchenpatrones, sondern die im Jahr 1950 zum katholischen Dogma erklärte Himmelfahrt Mariens. Sie wird flankiert von den Wandfiguren des hl. Apostels Petrus und des Kirchenpatrons, des hl. Jakobus d. Ä.; unter dem Deckenmedaillon, ebenfalls frei schwebend aufgehängt, die Gruppe der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.

Pfarrkirche Obertrum, Hochaltar

Pfarrkirche Obertrum, Hochaltar

Bild 7: Hochaltar

Pfarrkirche Obertrum, Hl. Jakobus

Pfarrkirche Obertrum, Hl. Jakobus

Weitere Werke von Jakob Adlhart
Im Besitz der Kirche befindet sich ein von Jakob Adlhart geschnitztes Vortragekruzifix, das in der Gestaltung Christi eindrucksvoll an das berühmte expressionistische Werk von 1925 im Kolleg St. Benedikt erinnert.
Ebenfalls von hervorragender Qualität ist der 1929 von Adlhart gelieferte Grabchristus des Heiligen Grabes.
Jüngere Werke des Künstlers sind die Kreuzwegreliefs (1961) und die zur Weihnachtszeit aufgestellte Krippe (1961) sowie das Kruzifix in der Priestergruft außen an der Südwestecke der Pfarrkirche (1965).

Bild 8: Hochaltar, Figur des hl. Jakobus d. Ä. von Jakob Adlhart und seiner Werkstatt

Das Relief am Ambo mit der die Liebe Christi symbolisierenden Darstellung des Pelikans beim Füttern seiner Jungen stammt noch von der ehemaligen Kommunionbank, einem Werk der Adlhart-Mitarbeiterin Klothilde Rauch (1953). Der Volksaltar selbst wurde 1970 von Architekt Jakob Adlhart, dem Sohn des großen Bildhauers, entworfen.

Pfarrkirche Obertrum, Kreuzweg

Pfarrkirche Obertrum, Kreuzweg

Bild 9: 8. Station “ Jesus begegnet den weinenden Frauen „, Kreuzwegrelief von Jakob Adlhart

Pfarrkirche Obertrum, Vortragkurzifix

Pfarrkirche Obertrum, Vortragkurzifix

Die barocken Seitenaltäre
Im linken Seitenschiff: Maria-Hilf-Altar, aus der Mattseer Stiftskirche stammend (Aufbau 3. Viertel 17. Jh.), mit einem Bild des vielverehrten Franziskanerheiligen Antonius von Padua, darüber Madonna mit Kind (Mariahilf von Passau). Die beiden ursprünglich nicht zugehörigen Altarfiguren von ca. 1670/80 stellen Johannes d. Täufer und den Evangelisten Johannes dar.
Im rechten Seitenschiff: Josephsaltar, aus Oberalm übernommen (Aufbau Ende 17. Jh.), mit Bild der Flucht nach Ägypten, darunter im Predellenbild die Geburt Christi; vor dem Altarbild Statue des hl. Joseph (19. Jh.), die wiederum nicht ursprünglich zugehörigen Seitenfiguren zeigen den hl. Vinzenz von Saragossa (Patron der Holzfäller) und einen hl. Diakon.

Bild 10: Vortragekruzifix von Jakob Adlhart

Die Kanzel
Um 1740 entstand die reich geschnitze barocke Kanzel, die im Jahr 1922 aus Berndorf – sie lagerte dort am Dachboden des Pfarrhofes – für die Obertrumer Pfarrkirche erworben werden konnte. Den Korb zieren Reliefs mit Darstellungen der vier Evangelisten, den Schalldeckel darüber Büsten der vier Kirchenväter sowie die Statue des hl. Michael, ein Werk Adlharts.

Ehemalige Pfarrhofkapelle zum Guten Hirten

Guthirten Kapelle, Aussenansicht

Guthirten Kapelle, Aussenansicht

Bild 11: Ehemalige Pfarrhofkapelle zum Guten Hirten, Außenansicht

Geschichte
Südlich von Obertrum, etwas außerhalb des Ortes, liegt am ehemaligen Pfarrhof (erbaut 1697, heute Lindenhof) die Kapelle zum Guten Hirten. Sie wurde im Jahr 1721 vom Mattseer Dechanten Johann Baptist Ölperl als Teil seiner privaten Einsiedelei aus Holz errichtet; ferner wurde darin das 1712 vom Propst von Mattsee, dem späteren Passauer Fürstbischof und Kardinal Graf Lamberg gestiftete Bild des Guten Hirten aufgestellt.
Wie dieses Gebäude ausgesehen hat, wissen wir nicht. Weil auch eine Meßlizenz erbeten wurde, mußte die Kapelle im Jahr 1747 neu, und zwar aus Mauerwerk, aufgebaut werden; die Weihe durch den Passauer Fürstbischof Kardinal Lamberg erfolgte am 28. August 1748.
Die jüngste, aufwendige Generalsanierung der Kapelle wurde in den Jahren 1986-88 durchgeführt.

Guthirten Kapelle, Innenansicht (Bild 12)

Guthirten Kapelle, Innenansicht (Bild 12)

Bild 12: Ehemalige Pfarrhofkapelle zum Guten Hirten, Innenansicht

Guthirten Kapelle, Vorhalle Deckenansicht (Bild 13)

Guthirten Kapelle, Vorhalle Deckenansicht (Bild 13)

Bild 13: Darstellung Mariens vor der Hl. Dreifaltigkeit an der Decke der Vorhalle

Beschreibung der Kapelle
Während die einschiffige, zweijochige Kapelle mit halbrund geschlossenem Chor dem allgemeinen Barocktypus entspricht, ist der Vorraum mit seiner Kulissenmalerei noch ein Teil der Einsiedelei des Dechanten Ölperl und in seiner Art einmalig.
Widmen wir uns aber zunächst noch der Einrichtung des eigentlichen Kapellenraumes: Der auch in der Stiftskirche von St. Peter in Salzburg tätige Stukkateur BENEDIKT ZÖPF hat, wohl erst um 1760/70, das flache Gewölbe und die Wandfelder um die Apostelkreuze mit zartem, hellgrün gefärbeltem Rocaillestuck verziert. Im Scheitel des Triumphbogens ist das Wappen des Mattseer Dechanten Franz Sebastian Wiesinger angebracht. Der für eine kleine Kapelle aufwendig gestaltete Marmoraltar von 1748 trägt das 1712 gemalte Altarbild des „Guten Hirten“. Die vier qualitätvollen barocken Statuetten stellen die hl. Joachim, Maria, Joseph und Anna dar. Zum einheitlichen, heiter-barocken Raumeindruck tragen auch das um 1747/48 gefertigte hübsche Orgelpostiv und das Gestühl mit seinen bemalten und geschnitzten Wangen bei.

Die Einsiedelei und ihre Ausstattung
Der im Grundriss etwa quadratische Raum wird an drei Seiten durch eingefügte winzige Emporen in drei Geschoße gegliedert, wobei alle Wände, Emporenbrüstungen und die Decke mit einer aus der Erbauungszeit stammenden Seccomalerei eines unbekannten Künstlers bedeckt sind. In fast 40 Einzelszenen bietet diese Malerei ein eremitorisches ikonographisches Programm; neben der Thematik und der Farbigkeit erweckt insbesondere auch die an Theaterkulissen erinnernde perspektivische Staffelung die Bewunderung des Betrachters. In einer etwa hundert Jahre alten, liebevollen Beschreibung durch den Benediktiner P. Anselm Ebner aSB, St. Peter, heißt es unter anderem: „In diesem Atrium ist in 3 Etagen über einander der ganze Geist und Kern monastischen und priesterlichen Ascese bildlich auf Holztafeln mit einem stauneswerten Bei- und Culissenwerke reich an Farben, Figuren und Wechsel von Szenerien in Verbindung mit Inschriften gegeben, welche kurz und betreffend in das Verständnis den Betrachtenden einzuführen im Stande sind“.

Bildthemen (vom Eingang aus von links nach rechts):
Erdgeschoß: Darstellung der VIA PURGATIV A (Weg der Läuterung) mit den Vier Letzten Dingen (Tod, Gericht, Himmel und Hölle), den Versuchungen und der Buße:
1. Der Himmel, mit den hll. Petrus und Michael am Himmelstor, im Hintergrund das himmlische Jerusalem;
2. Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntnis; 3. Hl. Hieronymus in der Wüste; 4. Versuchung Jesu; 5. Hl. Johannes der Täufer in der Wüste; 6. Hl. Johannes Guarinus in der Höhle, darüber Jagdszene mit dem hl. Johannes Chrysostomus als Büßer; 7. Susanne und die bei den unkeuschen Richter; 8. Hl. Thais von Ägypten (gest. 348); 9. Hl. Petrus als Büßer; 10. Das Letzte Gericht; 11. Die Hölle; 12. Der Tod als Gerippe, daneben hl. Maria Magdalena.

Guthirtenkapelle, Vorhof, Via Purgativa

Guthirtenkapelle, Vorhof, Via Purgativa

Emporenbrüstung im Obergeschoß: Als Dekor dient Akanthuswerk, alternierend mit Putten in monochromer Malerei; 13. Bild (über dem Kapellengitter) hl. Jakobus der Ältere, das ehemalige Hochaltarbild der Pfarrkirche aus dem l7. Jh.; darüber 14. Oberbild hl. Karl Borromäus; es folgen an der Brüstung die Bilder Nr. 15-22 mit Darstellungen hll. Priester (Wilhelm von Brabant, Marinus …).
Oberste Brüstung: Darstellung der VIA UNITIVA (Weg der mystischen Vereinigung): Bilder Nr. 23-25 und 28-30 hll. Priester; dazwischen, an der Westseite 26. Auferstehung Christi; 27. Geburt Christi.

Bild 14: Hl. Johannes d. T. und hl. Johannes Guarinus, Detail aus der VIA PURGATIVA (Weg der Läuterung) in der Vorhalle

Emporenrückwand: (nur von der Galerie aus sichtbar). Darstellung der VIA ILLUMINATIVA (Weg der Erleuchtung): 31. Ölberg; 32. Christus vor Pilatus; 33. Geißelung Christi; 34. Dornenkrönung („Ecce homo“); 35. Kreuztragung; 36. Kreuzigung.
An der Decke. 37. Hl. Maria vor der allerheiligsten Dreifaltigkeit, wobei Christus und Maria ihre Herzen tragen.

WÜRDIGUNG

Die Pfarrkirche von Obertrum, vor dem Brand von 1917 eine barockisierte gotische Kirche, ist die früheste Adlhart-Kirche Salzburgs. Es ist ein bleibendes Verdienst des Pfarrers Johann Schöndorfer, daß er 1924-1935 von der geplanten neobarocken Fertigstellung abwich und statt dessen einen der produktivsten Künstler Salzburgs, den Hanak-Schüler Jakob Adlhart aus Hallein zur Gestaltung berief. Jakob Adlhart hatte sich durch die expressive Gestaltung des Schmerzenskreuzes für das Kolleg St. Benedikt in Salzburg (1925) einen Namen gemacht, aber auch kirchliche Ablehnung erfahren. Es war für Pfarrer Johann Schöndorfer mehr als mutig, gegen die Intentionen des stilistisch im Historismus stehenden Diözesanarchitekten Pirich das expressionistische Modell zu versuchen. Der Vorraum der Kapelle zum Guten Hirten stellt indeß die einzige erhaltene Eremitage des Salzburger Barocks dar, die sich der Mattseer Dechant Johann Baptist Ölperl um 1720 geschaffen hatte.

Adolf Hahnl

Quellen und Literatur: Kons, Archiv 7/101. – Bibliothek St. Peter, P. Anselm Ebner OSB: Wegweiser 11. –Stiftsarchiv Mattsee, – Paul Buberl, Die Denkmale des pol. Bezirkes Salzburg, Wien 1913, S. 335–344, in: OKT X. – Friederike Zaisberger, Brauerei Obertrum. 200 Jahre Familie Sigl, Obertrum 1975. – Adolf Hahnl, Der Bildhauer Jakob Adlhart, Salzburg 1980 (mit einer Autobiographie des Künstlers). – Franz Fuhrmann, Salzburg in alten Ansichten: Land, Salzburg 1980, S, 266. – Pfarrarchiv Obertrum, Chronik.
Fotos: O. Anrather, Salzburg (Bild 1); SMCA, Salzburg (Bild 2); R. Weidl/Verlag St. Peter (alle übrigen).

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Christliche Kunststätten Österreichs, Nr. 327
© 1999 by VERLAG ST. PETER • Erzabtei St. Peter • A-5010 Salzburg

1. Auflage 1999, Herstellung: Salzburger Druckerei (Salzburger Preßeverein)

 

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